Autorin: Eva Brhel
Der steinige Weg zum Finanzamt, der Bittgang zur Bank, das Sünderbänkchen am Elternabend, die Folterbank im Wartezimmer der Götter in Weiß.
Wer kennnt sie nicht: die Machtspielchen unseres Alltags...
Und wir spielen alle mit: mal besonders gern, mal weniger gern. Das hängt meistens davon ab, auf welcher Seite wir gerade spielen. Auf der Gewinnerseite, oder auf der Verliererseite.
Das eigentlich spannende der Alltagsspielchen in "Feuerspiele" ist, daß in jeder Situation die "Macht" neu verteilt wird. Die Dialoge sind gewitzt und auf den Punkt gebracht und entlarven die Figuren in ihrer Macht, oder Ohnmacht. Dort wo die Figuren im Streit sprachlos werden, entladen sich ihre Emotionen in Tänzen.
So wird der eben noch unbarmherzige Lehrer, zum Bittsteller beim Finanzamt. Und die eben noch übermächtige Ärztin zur stinknormalen Touristin, die händeringend um einen Flug nach Indien kämpft.
Jede Figur verbrennt sich einmal die Finger. Und spätestens darin erkennt sich der Zuschauer selbst. Man kommt den Figuren und Situationen so nahe, dass man jede Niederlage selbst durchlebt. Doch das tut um so mehr weh, wenn die Figur demjenigen bittend gegenüber steht, dem sie kurz zuvor noch kräftig in den Hintern getreten hat. Denn eine Regel gilt im Stück wie in der Realität:
Man begegnet sich immer zweimal im Leben. Eben der ganz normale Wahnsinn des Alltags.
Die Nächte aber kennen keine Spielchen: Romeo und Julia begegnen sich immer nur nachts, und eines ist sicher: sie spielen nicht!
Die Liebenden aus dem Stück "Feuerspiele" sind Kinder unserer Zeit. Sie müssen nicht wie Shakespeares Romeo und Julia um ihre Liebe gegen äußere Widerstände kämpfen. Sie kämpfen nur mit sich. Und doch scheint es, als wären die inneren Schranken unüberwindlicher, als es ein physisches Hindernis je sein könnte. Romeo, der verlassene Ehemann, der Mann der um sein Recht als Vater kämpfen muss, sucht nur Wärme. Doch seine eigene Beziehungsgeschichte stellt sich ihm immer wieder in den Weg, lässt ihn nicht mehr los.
Julia ist eine Frau die immer nur will, was sie nicht haben kann. Und die nie schätzt, was sie hat. Dabei wünscht sie sich nichts sehnlicher, als geliebt zu werden
Und so verleben diese beiden ihre Nächte miteinander, ohne wirklich zueinander zu finden.
Ein einziges Mal wagen sie es sich dem Tageslicht zu stellen: ganz ungeschminkt sehen sie einander in die Augen- und erkennen sich mit ihren kleineren und größeren Fehlern. Zum ersten Mal eröffnet sich für Romeo und Julia ein Weg, den sie zu zweit einschlagen können. Mutig und ängstlich zugleich, betreten die beiden Neuland...
Alltagswahnsinn, nächtliche Liebesgeschichten, ein wenig von alledem was das Leben so mit sich bringt: eben das Spiel mit dem Feuer!
aus Fränkische Nachrichten, 5.8.02:
Fränkische Nachrichten, Montag,5.08.02 "Feuerspiele" von "commedia geschlEchtica" im Kraus-Saal
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Tag- und Nachtszenen und Tänze gegen Sprachlosigkeit |
Sie verleben ihre Nächte miteinander, ohne wirklich zueinander zu finden. Auf jeden Annäherungsversuch folgt eine Enttäuschung. Erst, als sie sich dem Tag stellen, erkennen sie sich gegenseitig: als Menschen mit Schwächen und Fehlern. Erst mit dem Tageslicht können sie sich aus ihrem eigenen Panzer befreien und zu zweit auf den Weg machen. An dieser Stelle hören auch die prosaisch-komischen Alltagsspiele auf, die die poetischen Nachtszenen kontrastieren. Hier zeigen Eva Brhel und Bernd Klußmann-Nittner "Feuerspiele" aus dem Alltag. Ein bisschen erinnert das an Arthur Schnitzlers "Reigen", nur dass sich hier die Personen nicht als Liebende, sondern im Zeichen der Macht treffen. Es sind Machtspiele des Alltags, die Eva Brhel in witzigen Dialogen auf den Punkt (leider manchmal auch einen Satz über den Punkt hinaus) bringt. Das Spannende daran ist die Tatsache, dass die Macht in jeder Situation neu verteilt wird: Da ist der Lehrer, der seine Position gegenüber der Mutter einer Schülerin hemmungslos genießt - und die ihn dann als dann als Bittsteller beim Finanzamt kühl abfertigt. Da ist der freakige Reisebüroangestellte, der eine Touristin zappeln lässt - und ihr dann als übermächtige Ärztin wieder begegnet. Da ist die Bankangestellte, die dem Automechaniker einen notwendigen Kredit verweigert - und ihn in der nächsten Szene dringend für die Autoreparatur braucht. Eva Brhel entlarvt die Personen in ihrer Macht und in ihrer Ohnmacht. Sie überspitzt Sprache und Situationen und arbeitet damit Typen heraus - Typen, die jeder Zuschauer aus dem eigenen Alltag, vielleicht sogar an sich selbst, kennt, mit denen er mitleiden und über die er sich mokieren kann. Mit großer Wandlungsfähigkeit bestreiten Brhel und Klußmann-Nittner den kabarettistischen Teil, mit großem Einfühlungsvermögen den poetischen Teil der Feuerspiele. Wenige Requisiten genügen den beiden Vollblutschauspielern auf der Bühne, eine kluge Lichtregie unterstützt die Aussage. Die Zuschauer im Kraus-Saal spendeten für die beiden Akteure bei der Uraufführung des Stückes viel Beifall. Jürgen Strein |